Linsenkunst berauscht sich an Licht und Farben

Claude Monet (1840-1926)Das Mittagessen: dekorative Tafel, 1873Öl auf Leinwand, 160 x 201 cmMusée d`OrsayFoto: bpk | RMN - Grand Palais | Patrice Schmidt© Musée d`Orsay, legs de Gustave Caillebotte, 1894

Städel Museum in Frankfurt

11.3.–21.6.2015

Monet
und die Geburt des Impressionismus

Linsenkunst empfiehlt

Für die Anreise

Der Parkraum rund um den Schaumeinkai wird von der Stadt Frankfurt intensiv bewirtschaftet. Neben einem Parkzeitraum von höchstens 2 Stunden und den happigen Parkgebühren spricht vor allem die ungeteilte Aufmerksamkeit der freundlichen Mitarbeiter des Ordnungsamtes gegen den Versuch hier zu parken.

Für den Ticket-Kauf

Vor dem Museum ist ein Stand für den Kauf der Eintrittskarten für die Ausstellung aufgebaut. Wie nicht anders zu erwarten bilden sich hier zeitweise lange Menschenschlangen mit entsprechende Wartezeiten. Wer hingegen seine Eintrittskarte online gekauft hat, kann direkt über den Haupteingang das Gebäude betreten. Die Eintrittskarte sollte mitgeführt werden, da an verschiedenen Stellen eine weitere Kontrolle erfolgt.

Für Fotografen

In der Monet-Ausstellung herrscht striktes Fotografieverbot. Weder die freundliche Mitarbeiterin der Pressestelle noch die ebenso freundlichen Mitarbeiter im Museum lassen sich auf eine Diskussion zu diesem Thema ein.

Für nach der Ausstellung

Nach dem Besuch einer Ausstellung sitzen wir gerne noch ein wenig zusammen, essen einen Happen und sprechen über unsere Eindrücke. Das Städel-Cafe war bei unserem Besuch jedoch völlig überfüllt. Verlässt man das Städel findet sich rechter Hand nach wenigen Schritten das Museum für Kommunikation. Hier gibt es leckeren Kaffee und Kuchen und eine kleine Auswahl an warmen Speisen.

Ein wenig Musik

zur Einstimmung in das Thema. Nimm eine Tasse guten Kaffee oder einen aromatischen Tee, dazu eine feine Praline oder etwas Gebäck. Atme durch, komm einen Moment zur Ruhe. Schau Dir das Bild von Degas auf der rechten Seite an: Wie wunderbar das Schwarz das Licht und die Farben jubeln lässt!

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Edgar Degas (1834-1917)
Die Orchestermusiker, 1872
Öl auf Leinwand, 69 x 49 cm
Städel Museum, Frankfurt am Main
Foto: Städel Museum – ARTOTHEK

Bernd Donabauer,Frankfurt // 02, 2015 Farbfotografie Merhfachbelichtung

Gedankensplitter auf dem Weg

Die Türme der Stadt liegen sanft verhüllt von südlicher Atmosphäre im Morgenlicht vor mir. Auf dem langen Weg über das Mittelmeer hat sich die Luft voll mit maritimer Feuchtigkeit gesogen. An diesem Morgen bescherte sie mir das ruhige Licht, dem selbst ein strahlend blauer Himmel zu laut erscheint. Mein Blick schweift über die Mainbrücke auf die andere Seite des Ufers zur den Artefakten der Macht vergangener Zeiten. Voller Stolz stehen dort am Schaumeinkai die Gründervillen Spalier. Arm in Arm in ihrer Mitte findet sich das Städel, eines von 15 Museen des Frankfurter Museumsufers. An diesem Morgen erscheint es mir, dass die Kultur der Stadt mit ihrem langen Atem aus den Fenstern des Städel etwas spöttisch über die andere Seite des Mainufers auf die City und ihre von Quartalsergebnissen gehetzte Geschäftigkeit schaut.

Gestern noch lag die Stadt unter schwarzen Rauchschwaden, erlebte die schwersten Ausschreitungen seit dem Ende des Frankfurter Häuserkampfes. Am Ausgang des Parkhauses stehen zehn Mannschaftswagen und bewachen das übergroße Eurozeichen und die schwebenden Sterne. Polizisten sind keine zu sehen. Der schwarze Rauch hat keinen Tag gebraucht, um im Wind zu verwehen.

Ganz tief in meinem Inneren nagt der Gedanke, dass ich mit der falschen Absicht zur Falschen Zeit am falschen Ort bin.

Als Monet, Manet, Degas, Sisley und all die anderen Maler des Impressionismus entdeckten, dass sich Materie in Licht und Farben auflöst, und mit der Ausstellung bei dem Fotografen Nadar gegen den Pariser Salon revoltierten, wurde wenige Wochen später in London der Antrag von Karl Marx auf den Erhalt der britischen Staatsbürgerschaft mit dem Hinweis abgelehnt, dass er ein „notorischer Agitator“ sei. Der ungezügelte Frühkapitalismus mit all der Not und dem Elend, die er produzierte, war sicher keine Zeit, in der die Lebenswelt der meisten Menschen in Europa durch heitere Ausflüge ins Grüne geprägt war. In den Werken der französischen Impressionisten ist von den tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüchen so gut wie nichts zu finden. Auf ihren Gemälden ist die Natur idyllisch, die Straßen der Städte frei von Schmutz und Elend, und der Dampf der Maschinen, die dabei waren, die bekannte Welt unter zu pflügten, lediglich eine atmosphärische Impression. Bei aller Revolte gegen den etablierten Kulturbetrieb: Die Impressionisten waren immer auch ein Teil der Gesellschaft, die durch den Pariser Salon repräsentiert wurde.

Joschka hat seit jenen Tagen im Frankfurter Westend längst die Turnschuhe gegen edle Maßanfertigungen getauscht und ich lebe am Rande eines kleinen Dorfes im Odenwald in einer Art Landschaftspark. So gesehen also doch am richtigen Ort zur richtigen Zeit, mit der richtigen Absicht.

„Mich interessiert nicht das Objekt, sondern das, was zwischen mir und dem Objekt passiert.“
Claude Monet

Claude Monet (1840-1926)Der Bahnhof Saint-Lazare, Ankunft des Zuges aus der Normandie, 1877Öl auf Leinwand60,3 x 80,2 cmThe Art Institute of Chicago© Mr. And Mrs. Martin A. Ryerson Collection, The Art Institute of Chicago

Im Museum

Das Städel begrüßt uns mit wehenden Fahnen zur Feier seines zweihundertsten Geburtstags und Brigitta, unserer Begleitung und mir ist es auch zum Feiern zu Mute. Monet und die Geburt des Impressionismus. Voller Vorfreude auf den Rausch von Licht und Farben, der uns die Treppe hinauf erwartet, stehen wir vor dem Eingang des Museums. Und wir sollten, soviel sei verraten, von der inoffiziellen Geburtstagsausstellung des Städel nicht enttäuscht werden. Es ist kurz nach 10:00 Uhr, mitten in der Woche, der Vorplatz voller Menschen und die Räume bereits gut gefüllt. In einem kurzen Plausch meint der freundliche Mitarbeiter des Städel dennoch: „Wenig los heute. Liegt wohl an dem Krawall von gestern“.

Die Ausstellung ist didaktisch gut überlegt in zwei voneinander thematisch und räumlich getrennte Teile gegliedert. Anhand der - bis auf eine Ausnahme - vorbildlichen Hängung lässt sich so die künstlerische Entwicklung der Zeit und der einzelnen Künstler wunderbar nachvollziehen. Im ersten Teil findet sich dir Vor- und Frühphase des Impressionismus. Der zweite Teil beginnt mit betörenden Naturbildern, spannt einen weiten Bogen über Stillleben, Porträts und Stadtansichten. Ich muss lächeln, wenn ich daran denke, dass man heute in der Fotografie wohl „Street“ zu diesem Sujet sagen würde. Er endet mit einem fulminanten Höhepunkt in den Ansichten der Kathedrale von Rouen. Zumindest glaube ich, dass danach nichts mehr kommt, weil ich zu diesem Zeitpunkt, berauscht von dem Eindruck der Bilder der Kathedrale von Monet, kaum noch etwas davon wahrgenommen habe, was um mich herum geschieht.

Man kann sich in dieser Ausstellung mit den Augen betrinken.

 

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Claude Monet (1840-1926)Das Hôtel des Roches Noires in Trouville, 1870Öl auf Leinwand81 x 58 cmMusée d`Orsay, ParisFoto: bpk | RMN - Grand Palais | Hervé Lewandowski© Musée d`Orsay, Paris, donation de Jacques Laroche, 1947

 

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Alfred Sisley Brücke bei Villeneuve-la-Garenne (Ausschnitt), (Public Domain), via Wikimedia Commons

Überraschungen

Ungemein angenehm überrascht war ich von den Werken von Sisley mit ihrem voller Leichtigkeit gesetzten Schwung in der Komposition und im Farbauftrag. Diese Leichtigkeit erfrischt die Augen in der Ausstellung wie ein spritziger Prosecco den Mund an einem heißen Sommertag. Dabei entfalten sich die Absichten von Sisley voller Klarheit und ohne große Mühe erkennbar vor dem Betrachter. Die Bilder von Sisley laden dazu ein, ohne großes Nachdenken empfunden und verstanden zu werden.

Sehr fein gemacht ist die kleine „Ausstellung in der Ausstellung“ in einem abgetrennten Nebenraum. Hier werden mit einer überaus intelligenten Lichtführung Zeitschriften mit Karikaturen über die Impressionisten gezeigt. Leider oder zum Glück findet der kleine Nebenraum kaum Beachtung bei den Besuchern und so kann man sich mit einem Schmunzeln im Gesicht dort auch etwas vom Trubel der Haupträume erholen.

Degas, ach Degas. Kann ein Fotograf, der sich mit den kompositorischen Ursprüngen der Fotografie beschäftigt von Degas' Bild "Die Orchestermusiker" von 1872 überrascht sein? Ja, er kann! Nichts kann den Eindruck eines Originals, mit einer insgesamt angemessenen Lichtführung gekonnt von den Ausstellungsmachern in Szene gesetzt und hinter hochwertigem und gottseidank spiegelfreiem Museumsglas geschützt, nichts kann den Eindruck eines Originals ersetzen.

Degas lässt in diesem Bild das Licht durch dunkle Schatten jubeln. Mit diesem Gemälde erzeugt der Künstler ein tiefes Verständnis dafür, welches kreative Potential sich im fotografischen Ausschnitt und derfotografischen Komposition entfaltet. Wer etwas über die Poesie der Fotografie erfahren will, muss "Die Orchestermusiker" von Degas gesehen haben (siehe oben). Unwillkürlich frage ich mich, ob der Impressionismus ohne die Erfindung der Fotografie überhaupt möglich gewesen wäre? Wer immer noch fest an das Dogma der neuen Sachlichkeit in der Fotografie glaubt, der Unvereinbarkeit von Dokumentation und Impression, wird ausgerechnet von dem Maler Degas, wenn er denn nur Schauen will, eines Besseren belehrt.

Höhepunkte

Persönliche Höhepunkte einer Ausstellung haben eine seltsame Eigenart. Du findest sie nicht, die Höhepunkte finden Dich. Daher kann ich Dir als Leser dieser kleinen Impression über die Ausstellung auch nur von meinen Höhepunkten berichten. Von Deinen eigenen Höhepunkten der Ausstellung musst Du Dich selbst finden lassen.

Ein eher unscheinbares kleines Bild von Monet in einer Ecke der Ausstellung war einer meiner Höhepunkte. Fast Skizzenhaft ist darauf eine kleine, bezaubernde Szene mit einem Seeufer und einem Segelboot zu sehen. An so einem Bild läuft man in Anbetracht der versammelten Werke schnell vorbei, ohne es einer näheren Betrachtung zu würdigen. Auch eine Ausstellung unterliegt zuweilen der von uns allen tief verinnerlichten Aufmerksamkeitsökonomie unserer Zeit. Aber zurück zu dem kleinen Gemälde: Der Mast des Bootes spiegelt sich in einer mit nur einer schwungvollen, dahin gehuschten und dennoch kraftvollen Linie im Wasser. Diese eine Linie sagt alles über das Selbstbewusstsein und Selbstverständnis von Monet als Maler. Sie sagt alles über die Inspiration eines Künstlers. Die Inspiration, die fordert, die kein wenn und aber zulässt, die nicht fragt, wer im nächsten Monat die Miete bezahlt oder morgen das Brot beim Bäcker. Die Inspiration, die in einer Linie ihren Ausdruck dafür findet, was Kreativität ausmacht. Die eine Linie, die mit Dir kommuniziert und Dir von einem ganzen Leben, dem Kosmos eines Menschen erzählt. Nur eine Linie? Nur eine Linie!

Ich persönlich finde es wunderbar, wenn mein Verstand nicht mehr weiter weiß und er dadurch den Weg frei macht für die Erfahrung durch meine Sinne. In einer Ausstellung macht es mir ungemein Freude, die Bilder auch aus unmittelbarer Nähe zu betrachten.

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Claude Monet (1840–1926)
Die Kathedrale von Rouen: Das Portal, Morgenstimmung, 1893-1894
Öl auf Leinwand, 110 x 73 cm
Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler
Foto: Robert Bayer, Basel

Handelt es sich um Gemälde, studiere ich sehr gerne den Farbauftrag, wie man bei einem geliebten Menschen die Falten des Gesichts studiert. Ich liebe es zu verstehen, wie aus dem Bestimmten der Eindruck des Gesamten, aus der Beschaffenheit von Farbe und Textur der Eindruck des Wesens entsteht. Ich liebe es aber umso mehr, wenn ich das Wirken des Bestimmten im Gesamten mit dem Verstand nicht mehr greifen kann und ich es nur noch durch meine Sinne erfahre. So einen Moment habe ich in der Ausstellung bei der Betrachtung der Gemälde der Kathedrale von Rouen von Monet erlebt. Leider ist die Serie, für mich völlig unverständlich, durch die Hängung an verschiedenen Wänden eines Raumes auseinander gerissen worden. Und doch ist der Sinneseindruck überwältigend.

Du näherst Dich den Bildern, erfährst, wie massiver Stein von Licht und Schwingungen durchwoben wird, transzendiert sein wahres Wesen über den Zeitlauf eines Tages zeigt, aber wenn Du direkt davor stehst, verstehst Du es nicht, Du erfährst es. Wunderbar!

Ich betrachte die Textur des Farbauftrags von Nahem. Versuche mir vorzustellen, wie Monet vorgegangen ist. Versuche zu verstehen, wie sich aus dem Bestimmten des einzelnen Pinselstriches die Gesamtheit der Wirkung ergibt, trete zurück, nähere mich erneut und scheitere schließlich an beidem. Hier ist keine Absicht, kein Denken, keine Planung zu entdecken, nur die reine Empfindung im Augenblick. Licht und Materie stehen hier nicht nebeneinander oder im Widerspruch, das eine löst sich auch nicht im anderen auf. Licht und Materie sind in einem Wesen neu geboren und überwinden so die Dualität des Seins.

Claude Monet (1840–1926) Die Kathedrale von Rouen: Das Portal, Morgenstimmung (Ausschnitt), 1893-1894 Öl auf Leinwand, 110 x 73 cm Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler Foto: Robert Bayer, Basel  

 

Die Ausstellung endet, ohne dass die weitreichende Bedeutung der Serie und die nahezu völlige Auflösung des Gegenständlichen, die Ahnung der Moderne mit ihrem abstrakter Ausdruck in Monets Spätwerk erfahrbar wird. Das ist für mich schmerzlicher, als das Fehlen der berühmten, aber viel gefälligeren Seerosen-Serien. Nun ja, die Ausstellung heißt "Monet und die Geburt des Impressionismus" und nicht "Monet und sein Lebenswerk".

 

Linsenkunst empfiehlt

 

So eine Ausstellung sieht man nicht alle Tage. Alleine die Ausleihe der verschiedenen Werke aus den unterschiedlichen Museen muss ein ungemeiner Kraftakt gewesen sein. Die Ausstellung ist daher sicherlich dazu verdammt, ein großer Publikumserfolg zu werden. Sie ist trotz aller erfolgreichen Bemühungen um ein durchdachtes Konzept vor allem eine große „Popcorn-Ausstellung“ und ein Blockbuster.

Na und? Was soll's. Hingehen!

So eine Ausstellung sieht man nicht alle Tage. Alleine die Ausleihe der verschiedenen Werke aus den unterschiedlichen Museen muss ein ungemeiner Kraftakt gewesen sein. Die Ausstellung ist daher sicherlich dazu verdammt, ein großer Publikumserfolg zu werden.

Sie ist trotz aller erfolgreichen Bemühungen um ein durchdachtes Konzept vor allem eine große „Popcorn-Ausstellung“ und ein Blockbuster.

Na und? Was soll's. Hingehen!

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