Von Seepferdchen und Flugfischen
Endlich unterwegs. Die Sonne hat in diesem Vorfrühling noch nicht die Kraft, den Hochnebel vollständig aufzulösen, und die Zweckbauten des Rheintals fliegen winterlich trist an uns vorbei. Ein Hauch von Grün ab und an und die weißen Tupfer der ersten Wildkirschenblüten versprechen wärmere Zeiten für Körper und Seele. In den letzten Wochen mussten wir den Sonntag im Museum zweimal verschieben und umso mehr freuen wir uns heute auf die Ausstellung „Genese Dada“ im Arp Museum Bahnhof Rolandseck.
100 Jahre Dada Zürich: Vergessen, aktuell, umstritten, in allem erkennbar und in nichts fassbar - dieser Moment der Moderne hat es dem Betrachter wohl noch nie leicht gemacht.
"Es tut mir leid, aber das ist nur komisch, nichts davon macht Sinn. Ich könnte besoffen zufällige Buchstaben schreiben und es dann Kunst nennen. Dadaismus ist dumm, hat keine Bedeutung und erklärt nichts."
Anonymer Kommentar zu Hugo Balls Lautgedicht „Gadji Beri Bimba“
Auf der Flucht vor dem Sinn
Dada ist gar nicht so schwer. Wir möchten Euch einladen, die Augen zu schließen, für einen Moment den Kopf frei zu machen, nicht nach Erklärungen und Zusammenhängen zu suchen, das Lautgedicht "Seepferdchen und Flugfische" von Hugo Ball zu hören und zu empfinden, mitzusprechen und den Klang im Mund zu fühlen. Warum? Weil es Freude bereitet!
"Seepferdchen und Flugfische" von Hugo Ball, vom Wortmann vorgetragen.
Zwischen den Welten
Brigitta und ich sind heute voller Arbeitseifer und mit festem Vorsatz unterwegs, uns dem Phänomen Dada zu nähern, es zu erfahren und zu durchdringen. Wir biegen auf den Parkplatz ein und gehen die wenigen Schritte zum Eingang des Museums im klassizistischen Gebäudeteil des Bahnhofs Rolandseck. Später werden wir den Neubau des amerikanischen Architekten Richard Meier erfahren und soviel sei schon verraten: Das Museum selbst ist ein wunderbares Erlebnis, die Kombination der Architekturstile erfrischend, die Mitarbeiter freundlich und die Gastronomie sehr empfehlenswert.
Fotograf: Wolkenkratzer, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, architektonisches Detail. This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license. Erhältlich unter →
Gleich nach dem Eingang betritt man einen endlos scheinenden Gang, mit dem Meier den vorhandenen Bahnhof unter den Bahngleisen mit seinem funktional-ästhetischem Museumsneubau verbunden hat.
Brigitta Fiesel, GOOMH I, Remagen, 2015
Am Ende des Gangs gehen wir linker Hand in ein Röhre aus nacktem Beton mit wunderbaren Texturen. Beton ist ein fantastischer Baustoff – es kommt nur darauf an, was man daraus macht. Hier empfängt uns die Lichtinstallation "Kaa" von Barbara Trautmann, die mit einer Dada-Bild- und Ton-Installation kombiniert wurde. Wir befinden uns in der „Dada-Schleuse“ und die Stimmung des Raums ist sehr intensiv, fast schon ein wenig „creepy“.
Brigitta Fiesel, d da du durch den Tunnel, Remagen, 2016
Wir diskutieren über die Wirkung des Raumes, der Klang- Bild- und Lichtinstallation und ich rufe Brigitta zu: Mach doch mal Kunst! Die anwesenden Museumsbesucher schauen etwas verwirrt. Es geht hinauf, wir gönnen uns eine kleine Pause auf der Bank gleich neben der Treppe.
Bernd Donabauer, Eine Frage des Standpunktes, Remagen, 2016
Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt
Vor uns öffnet sich der Raum zur zeitgleich statt findenden Ausstellung „Ein heller Hauch, ein funkelnder Wind. Bernard Schultze zum 100. Geburtstag“. Brigitta und ich sind fasziniert von der Leichtigkeit der großformatigen Gemälde, die dennoch eine unglaubliche Farb- und Form-Präsenz ausstrahlen.
Bernd Donabauer, Flatternde Stuhlreihen, Remagen, 2016
Und so verlieren wir uns in der informellen Kunst von Schultze, interpretieren diese und beziehen die Umgebung des Museums mit in unsere fotografischen Experimente ein.
Brigitta Fiesel, Heute singe ich das C in Grün, Remagen, 2016
All die guten Vorsätze und der zielgerichtete Arbeitseifer sind verflogen. Wir lassen uns ein, schauen und empfinden die Farben und Formen – wunderbar. Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchen Brigitta und ich wieder auf und erinnern uns an unsere heutige Aufgabe: Auf in das nächste Stockwerk zur Genese Dada!
Brigitta Fiesel, Auf der Flucht vor dem Sinn, Remagen, 2016
Section
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Tach, Herr Rülpsfisch.
Sie befinden sich gerade im Epizentrum Ihres unmissverständlichen Daseins.
Dem sprachlichen und visuellen Vorhof der Hölle.
Fliegenfischen ist doof.
Und ein Frosch besteht zu 90 Prozent aus Wasser.
Det macht nüscht…
(Michael Starke)
Darmstädter Dialoge
Remix
Wenn ich an den Ereignishorizont, die Singularität und die imaginäre Zeit denke, gruselt es mich.
Ich geh jetzt erst ‘mal ‘ne Runde heulen….. vor einigen Sekunden.
Für ganz lange Zeit!
Wohin?
(Michael Starke)
Tag in der Karibik, Teil 1 bis 3
Zusammenfassung
Nach zehn Minuten war alles gereinigt.
Das Geplärre verstummte für eine gewisse Zeit.
Die Früchte hatten dabei mehr eine Alibifunktion.
Sie waren einfach der Natur zuwider.
Soll in dieser Region schon mal vorkommen.
Okkupanten. Okkupanten. Achtet auf die Okkupanten.
Ein herrlicher Karibiktag neigte sich dem Ende entgegen.
(Michael Starke)
Zwischen DAX und Astro TV
Rekordergebnisse erzielt
Man muss das Bedauern
Berater komplettieren unser Beraterportfolio
Geprägt von nachhaltigen Ertragsströmen
Ganz, wie Sie es wünschen
Sonderbelastungen summierten sich
Mittels mentalem Motivations- und Erfolgstraining
Einfühlsam und kompetent geben Sie Ihnen die Antwort
Stärken zu nutzen und Schwächen auszugleichen
Es war eine herausfordernde Zeit
(Bernd Donabauer)
credits
Im Museum kam mir der Gedanke, wie viel Dada eigentlich in den Gebrauchstexten unserer Zeit zu finden ist. Würde man Auszüge aus einer Rede des Vorstands eines DAX-Unternehmens von den Auszügen des Verkaufssenders Astro TV unterscheiden können? Beim Sichten des Bildmaterials entwickelte sich die ursprüngliche Idee zu einem kleinen Dada-Projekt weiter. Mein Freund Michael Starke hat einige seiner Texte beigesteuert. Lautgedichte erschließen sich nicht durch das Lesen, sie wollen gehört werden. Was wäre die Antithese? Ein Gedicht bestehend aus Ideogrammen, die letztlich nicht gesprochen werden können. Als großer Fan von Ella Fitzgerald und Louis "Satchmo" Armstrong, der sich selbst immer als Erfinder des lautmalerischen Gesangs bezeichnet hat, kamen mir die Gemeinsamkeiten von Scat und Lautgedichten naheliegend vor.
Am Ende dieses kleinen Projekts reift in mir eine Erkenntnis: Vielleicht kann man Dada tatsächlich nicht erklären. Vielleicht muss man Dada einfach tun, um es zu durchdringen. Was zählt ist die Ekstase.
Bernd Donabauer
Wir bedanken uns bei Michael Starke für seine freundlich Unterstützung.
"Ich war es und werde es immer sein; Ihr Freund."
Hugo Ball: Gadji beri bimba. Zürich, 1916. Erhältlich unter →
Michael Starke: Tach, Herr Rülpsfisch. Darmstadt, 2012. ruelpsfisch.de →
Bernd Donabauer: Zitronenblau, Azurgelb, Olivrot, Rubingrün. Remagen, 2016.
Michael Starke: Darmstädter Dialoge, Remix. Darmstadt, 2016. darmstädter-dialoge →
Bernd Donabauer: Brigitta. Aus der Serie: Ich kenne Dich nicht. Remagen, 2016.
Bernd Donabauer: }"> + <°(V(><. Ober-Ramstadt, 2016.
Michael Starke: Tag in der Karibik, Teil 1 bis 3, Zusammenfassung. Darmstadt 2016. tag-in-der-karibik →
Bernd Donabauer: Frau F MACHT Kunst. Remagen 2016.
Bernd Donabauer: Zwischen Dax und Astro-TV. Ober-Ramstadt 2016.
Scatman John: Scatman (Ski-Ba-Bop-Ba-Dop-Bop) [New Radio Edit]. Erhältlich unter →
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Was Du schon immer über Dada wissen wolltest
In der „Genese Dada“ erwartet uns ein wunderbar gestaltetes, in viele kleine und große Räume gegliedertes, museumspädagogisches Meisterstück. Hier wird jede erdenkliche didaktische Methode und Darstellungsform genutzt, um dem Besucher das Thema in seiner kunsthistorische Verankerung und seiner Bedeutung für die Entstehung der Moderne nahezubringen. Große, die Wand füllende Schautafeln wechseln sich mit erfahrbaren Räumen ab, Hintergründe und Zusammenhänge mit Bild- und Ton-Installationen.
Heinrich Campendonk, Landschaft mit zwei Tieren, 1914, Kolumba, Köln, Foto: Lothar Schnepf, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2016
Ist Dada unpolitisch?
In der Pressemappe findet sich der Satz „Die große Revolte gegen die Traditionen und Konventionen – ohne politische Ideologie“. Tatsächlich lehnten die Künstler in Zürich, Migranten allesamt, gesellschaftlichen und kunstgeschichtlichen Ideologien ab und natürlich gehen die Ausstellungsmacher auch auf den direkten Zusammenhang zwischen Dada und den in den Schützengräben des ersten Weltkriegs gescheiterten politischen Systeme ein. Dennoch stellt sich nach einiger Zeit für uns die Frage: Was war so grundlegend an dem Bruch der Künstlergruppe mit den gesellschaftlichen Konventionen der Zeit?
Diogenes von Sinope
„Die Griechen [...] beschlossen, mit Alexander gegen die Perser einen Kriegszug zu unternehmen, wobei er auch zum Oberfeldherrn ernannt worden war. Da bei dieser Gelegenheit viele Staatsmänner und Philosophen ihm die Aufwartung machten und Glück wünschten, dachte er, daß auch Diogenes von Sinope, der sich eben in Korinth aufhielt, ein Gleiches tun würde. Aber dieser blieb ungestört in seiner Ruhe im Kraneion, ohne sich im Geringsten um Alexander zu kümmern; daher begab der sich zu Diogenes hin. Diogenes lag eben an der Sonne. Als aber so viele Leute auf ihn zukamen, reckte er sich ein wenig in die Höhe und sah Alexander starr an. Dieser grüßte ihn freundlich und fragte, womit er ihm dienen könnte. ‚Geh mir nur‘, versetzte er, ‚ein wenig aus der Sonne!“
Plutarch: Alexandros 14
Die Anekdote über Alexander und den Kyniker → Diogenes von Sinope kennt heute noch jedes Kind. Sie wird oft als Ausdruck der Bedürfnislosigkeit von Diogenes interpretiert. Tatsächlich greift diese Interpretation jedoch zu kurz. Mit dem Satz „geh mir aus der Sonne“ lehnt Diogenes jeden Herrschaftsanspruch des scheinbar allmächtigen Kriegsherrn Alexander ab. Diogenes lässt sich weder von Alexander korrumpieren, noch von der Kriegsbegeisterung der Menge mitreißen. Er setzt der Zumutung der Planung des Überfalls auf das persische Reich, dem kommenden Morden und Plündern, eine einfache und doch wunderbare Empfindung entgegen und bricht damit jede gesellschaftliche Konvention. Diogenes vertritt keine politische Ideologie und ist doch hochpolitisch.
Hugo Ball
Was hätte Hugo Ball nach seinen kurzen Eindrücken von der Front gesagt, wenn sich einer der Kriegsherren seiner Zeit während einer Vorstellung bei ihm eingefunden hätte?
Vielleicht in Abwandlung eines seiner Zitate:
"[Sage Dada] Mit edlem Gestus und mit feinem Anstand. Bis zum Irrsinn, bis zur Bewusstlosigkeit."
Letztlich komme ich zum Schluss, dass die Entstehung und der Einfluss von Dada ohne einen direkten und unmissverständlichen Bezug zum Politischen nicht verstanden werden kann. Das Politische dieser Zeit wurde durch die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts geprägt – dem 1. Weltkrieg. Hierzu wären wohl drastische Darstellungen des Elends der Menschen in den Schützengräben notwendig gewesen. Darauf hat man in der Ausstellung "Genese Dada"- vielleicht zurecht - verzichtet.
Linsenkunst empfiehlt
Für die Anreise
Die kostenlosen Parkplätze befinden sich vor dem Museum. Natürlich ist auch eine Anreise mit der Bahn möglich.
Karten
Die Eintrittskarte für das Museum kostet für Erwachsene 9,00 EUR, ermäßigt 7,00 Euro. Für 12,00 Euro erhält man sehr preisgünstig eine Familienkarte.
Für Fotografen
Das Fotografieren ist erlaubt.
Nach der Ausstellung
Das "Café" mit Blick auf den Rhein im alten Bahnhofsgebäude, seinem großen Saal, der wunderbaren Bar und dem Balkon über die ganze Länge des Gebäudes, ist für sich schon eine Reise wert. Hier gibt es Kaffee und Kuchen, kleine und große Speisen und eine schöne Weinkarte. Die Preise sind für die gebotene gehobene Gastronomie angemessen.
Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
D- 53424 Remagen
Tel +49 (0)22 28/94 25 12
Fax +49 (0)22 28/94 25 21
info@arpmuseum.org
www.arpmuseum.org →
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 11 bis 18 Uhr
Autor: Bernd Donabauer
Titelbild
Bernd Donabauer, Nighthawks, Remagen, 2016
Hintergrundbild Linsenkunst empfiehlt
Bernd Donabauer: Museumsbesucher, Remagen, 2016
2 Gedanken zu „binSenWunsT Genese Dada“
Flatternde Stuhlreihen … Bernd, da ist Dir mal wieder ein grandiouses Bild gelungen.
GOOMH I … Brigitta und Bernd, diese beiden Bilder nebeneinander und versuchen einen kontext zu finden.
Finde ich sehr stark!
Bis bald und liebe Grüsse
Betty
Hallo Liebe Betty,
vielen Dank.
Mir gefiel der Gedanke, dass die Stühle, ganz vertieft in die dargebotene Kunst, erschreckt auf flattern wie ein Schwarm Stare, als sie mich haben kommen sehen. *g*
Brigitta und ich zählen die Tage…
Beste Grüße
Bernd