Weltbilder
Ich "mache mir ein Bild" von einem Menschen und bin nur zu gerne bereit, diesen Menschen anhand dieses flüchtigen Eindrucks zu beurteilen. Ein Bild eröffnet die Tür zu einer festgefügten Meinung. Die Vorstellung, dass ein flüchtiger Eindruck etwas über einen Menschen aussagen kann, schafft Distanz. Die Vorstellung, dass die Persönlichkeit eines Menschen unveränderlich ist, verhindert Nähe. Am Ende erscheint es unmöglich, dem Gegenüber - uns selbst - zu verzeihen für das, was wir zu sein scheinen.
Ich kenne diesen Menschen nicht!
Gerhard Richter
Wandel
Diesen Satz sagt Gerhard Richter in der Dokumentation "Gerhard Richter Painting→", als er eine Porträtfotografie von sich selbst aus Kindertagen anschaut. Wenn ich mich aber in dem stetigen Wandel meiner eigenen Persönlichkeit nicht einmal selbst kennen kann, wie soll ich dann einen Anspruch darauf erheben, einen anderen Menschen in all seiner Vielschichtigkeit und in dem stetigen Wandel seiner Persönlichkeit zu kennen?
Wie den Anspruch formulieren, einen Menschen so zu porträtieren, dass auch nur annähernd etwas von dem Wesen dieses Menschen gezeigt wird?
Akzeptanz
Meine Antwort darauf lautet: Wenn ich den Menschen nicht kenne, so habe ich doch eine subjektive Wahrnehmung von ihm und bin mir der Tatsache der grundlegenden Unbestimmbarkeit seiner Persönlichkeit bewusst. Die Akzeptanz des Unbestimmbaren und Unbekannten eröffnet die Möglichkeit der Nähe, weil sie sich nicht in falschen Hoffnungen verliert.
Es geht mir also nicht darum, in meinen Portraits das Offensichtliche zu zeigen. Vielmehr werde ich versuchen, in meinen Portraits meine subjektive Sicht, das Unbekannte und die Unbestimmbarkeit zu zeigen.
Unbestimmbarkeit
Die gestische Fotografie dekonstruiert das Motiv und konstruiert es doch neu. Sie versöhnt die Ordnung der Ratio mit der Kraft der Imagination. Die gestische Fotografie zerbricht die Illusion der festen Materie und des bestimmbaren Standortes und zeigt das eigentliche Wesen der Welt und des Menschen – Wellen, Partikel, Reflexionen, Möglichkeiten, die grundsätzliche Unschärfe von Raum, Zeit und Persönlichkeit.
Ideen
Wie so oft in meinen Arbeiten ruht die Projektidee in den existentiellen Fragestellungen der Philosophie, genauer der Erkenntnistheorie. Von René Descartes→ "Geist in der Maschine" bis hin zu Karl Poppers→ "Das Ich und sein Gehirn→" beschäftigt sich die Erkenntnistheorie mit der Frage der Dualität von Geist und Materie. Wie entsteht Bewusstsein und konstituiert sich das Ich? Wir vermuten heute, dass beides von Augenblick zu Augenblick geschieht, das Wesen des Ich ein Prozess und kein Subjekt ist.
Inspirationen
Die künstlerische Inspiration für das Projekt habe ich in der subjektiven Fotografie von Otto Steinert→, mehr noch in den Arbeiten von Lillian Bassman→ und Anton Corbijn→ gefunden.
Umsetzung
Das Material für die Portraits entsteht nach einer intensiven Vorab-Visualisierung in der Kamera. In das Material fließt eine gezielte Über- und Unterbelichtung, die selbstbestimmte Bewegung des Porträtierten und die Bewegung der Kamera während der Aufnahme mit ein. In der digitalen Dunkelkammer erfolgt die Ausarbeitung mit Hilfe von klassischen Dunkelkammertechniken.
Ziele
"Ich kenne Dich nicht" ist ein langfristiges Projekt des Tastens nach neuen Ausdrucksformen der Portraitfotografie. Als solches auch ein lustvolles Scheitern am eigenen Anspruch, in dem der expressive Ausdruck wichtiger ist, als die Perfektion der fotografischen Arterfakte.
Credits
Autor und Fotograf: Bernd Donabauer
Bildquellen von oben nach unten:
Volker, Ober-Ramstadt, 2016
Still There (Susanne †), Heidelberg, 2012
Volker, Ober-Ramstadt, 2016
Michael, Darmstadt, 2016
Man with Cap, Darmstadt, 2013
Brigitta, Rolandseck, 2016
Lost in the Crowd, 2014
Theo, Ober-Ramstadt, 2013
Don Augustin, Bad Meinberg, 2014
Karl, Darmstadt, 2014
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