"Das Wesen aller Dinge ist ihr Duft"
(Patrik Süskind: Das Parfüm)
Allein unter Griechen
Wir haben das Auto einige Meter entfernt geparkt und schlendern nun zum Wochen-Markt am Rande von Rhodos Stadt. Es erwartet uns eine Melange aus bunten Farben, Düften und Stimmen. Vorbei an den Fischständen tauchen wir ein in den Trubel. Hierher verirrt sich selten ein Tourist - allein unter Griechen.
Wir tauchen ein in die Düfte von frischen Kräutern und den Farben der Natur, schlendern über den Markt und hören den Gesprächen der Menschen zu, sind Gast in einem wunderbaren Schauspiel für die Sinne - man muss nicht immer die Sprache sprechen, um eine Szene zu durchdringen.
Es wird betrachtet, geprüft, angepriesen, gefeilscht und über die Dinge des Alltags getratscht. Männer trotten mit vollen Einkaufstüten ergeben hinter ihren Frauen her. Alte Freundinnen umarmen sich und erzählen von dem Enkelkind. Ein Marktschreier verwandeln seinen Stand in eine Theaterbühne. Der Wochenmarkt von Rhodos-Stadt ist immer noch ein echter Bauernmarkt ohne viel Schischi, bei dessen Anblick nur der Einfältige denkt, es ginge den Besuchern nur um den schnöden Kauf von Obst und Gemüse.
Die Szene ist geprägt von starke Kontrasten zwischen hell und Dunkel. Von Stillstand und Bewegung, von intimen Momenten und dem Trubel der Menge. Die Kompositionen entwickeln sich entlang den Reihen der Marktstände, die den Blick in die Tiefe leiten. Brigitta unterbreitet den Linsenkünstlern Vorschläge für ihre fotografischen Erfahrungen, jedoch ohne darauf zu bestehen. Wir möchten auch hier unseren Linsenkünstlern Möglichkeiten eröffnen und keine festgelegten Wege vorschreiben.
In der Mitte des Marktes gibt es eine kleine Kantina. Ich lasse mich nieder und gönne mir ein kühles Getränk. Von einem festen Standort aus kommen die Motive von ganz allein zu dem Betrachter.
So vergeht die Zeit bis zur Mittagsstunde. Nach einer Weile sammele ich Brigitta und die Linsenkünstler wieder ein. Auf dem Weg zum Auto kommen wir an dem kleinen Wäldchen vor dem alten Friedhof vorbei. Ich denke über den besonderen Moment von sprudelndem Leben und friedlicher Stille nach, die hier so nah beieinander liegen.
"Und er ruhte aus von der Schwere des Glücks und der Größe der Wunder."
(Joseph Rot: Hiob.)
Das Maß der Dinge
Nach einer Pause über die Mittagszeit möchten wir gegen das Ende unserer wunderbaren Reise zum Licht ein wenig Ruhe in unsere Herzen und Köpfe bringen. Es geht darum einen Kontrapunkt zu setzen und uns mit dem Wesen der Komposition eines Bildes zu beschäftigen. Unser visueller Führer auf diesem Weg ist der Fotograf Harald Mante und sein Buch "Das Foto". Der beschauliche Ortskern von Koskinou ist hierfür genau der richtige Ort. Er liegt so versteckt am Ende der Straße, dass der Fremde oft genug zu früh umkehrt und sich so diese Erfahrung entgehen lässt.
Punkt, Linie Fläche - eigentlich braucht es nicht mehr für eine gelungene Komposition...
... Eigentlich, wenn es nicht das wunderbare Licht gäbe, dass das Wesen der Dinge verwandelt.
Das Licht und natürlich die Farben, die uns unwiderstehlich in ihren Bann ziehen
Bei all der Pracht wird ein Element oft vernachlässigt. Es ist bescheiden und drängt sich nicht in den Vordergrund. Dennoch bestimmt die Textur der Oberflächen das Wesen von Licht, Farbe und Form wesentlich mit.
Bilder erzählen keine Geschichten. Sie wecken Erinnerungen und Gefühle. Erst der Betrachter gibt dem Gesehenen einen Sinn. Er erfindet für sich eine ganz persönliche Geschichte zu dem Bild. Dieses wunderbare Geschenk wird dem Betrachter durch ikonographische Zeichen und Symbole überbracht.
Beachte das Namenlose. Wende dich den kleinen Dingen zu und setze sie liebevoll in eine Beziehung zu ihrer Welt.
Lass Dir Zeit, schau immer zweimal hin und erkenne das eigentliche Motiv hinter dem Augenscheinlichen.
Lass Dich überraschen und öffne Dein Herz dem Unerwarteten. Erkenne die Schönheit in den profanen Szenen des Lebens.
Punkt, Linie, Fläche Licht und Textur. Symbole und Zeichen, die Achtsamkeit und der Respekt vor den kleinen Szenen im großen Theaterstück des Lebens. So geschieht das Wunder und aus einem zweidimensionalen Medium entspringt ein Bild mit einer räumlichen Dimension und vielen Facetten des Seins.
Unsere Reise neigt sich dem Ende entgegen. Die Lider sind übersatt vom Gesehenen und betrunken von den Eindrücken. Am Abend in der kleinen Taverne "O Janis" wird es Zeit Abschied zu nehmen.
"Ich habe noch nie soviel gelernt und erfahren und mich dennoch so erholt gefühlt."
Dieser Satz von unserer Linsenkünstlerin Betty ist vielleicht die schönste Belohnung für Brigitta und mich. In einigen Tagen sehen wir uns wieder - auf Rhodos, der Insel des Lichts.
Credits
Autor des Beitrags: Bernd Donabauer
Bilderquellen von oben nach unten:
Brigitta Fiesel, Markt III, Rhodos 2015
Brigitta Fiesel, Markt II, Rhodos 2015
Bernd Donabauer, Market // 13, Rhodos 2015
Betty Schmidt, Markt 2, Rhodos 2015
Bernd Donabauer, Market // 05, Rhodos 2015
Bernd Donabauer, Market // 14, Rhodos 2015
Bernd Donabauer, Alles Mante; oder was! Bild // 01 bis // 09, Rhodos 2015
Betty Schmidt, Zwischen Kalithea Therme und Koskinou, Rhodos 2015
Beitragsbild: Bernd Donabauer, Alles Mante; oder was!, //01, Rhodos 2015