Tutorilino #03

Farbe Fotografische Aquarelle Schattenfotografie Action Photography Licht und Schatten
Räumlichkeit Schärfe Reduktion Abstraktion Intuition Grundlagen
Einstellungen ISO Manueller Modus Blende Bulb manueller Fokus Graufilter Kameratechnik
Schwarz und Weiß  These und Antithese Ausdruck
23.12.2016 Bernd Donabauer, Brigitta Fiesel

These und Antithese

These, Antithese, Synthese, eine einfache Dialektik ohne viel philosophisches Chichi. Als Mentor bin ich vor allem an der Synthese interessiert, an einem einfühlsamen Verständnis bei der gemeinsamen Suche nach den Quellen der Kreativität unserer Linsenkünstler. Als Fotograf bin ich frei in meinem Ausdruck und kann mich ganz auf die These und Antithese konzentrieren. These und Antithese müssen hier nicht "richtig oder falsch" sein. Sie sind ein Gedankenspiel, um in der subjektiven Fotografie neue Sichtweisen zu entdecken.

These: Das ist eine "ausgebrannte" Stelle im Bild.

Antithese: Das ist die Farbe Weiß im Bild.

Versuche es doch selbst einmal - schnappe Dir ein Fotobuch, nimm eine einzelne These daraus und versuche das genaue Gegenteil zu visualisieren.

Der Star

Was macht das Weiß im Bild?
Bei fotografischen Aquarellen stellt Weiß die Bühne für die wenigen farbigen Bildteile dar.
In diesem Bild ist Weiß der Star.

Die renovierten Kalithea Therme glänzen mit ihrer komplexen und durch Rundungen und Bögen geprägten Bauweise und den großzügigen weißen Flächen, die von Licht und Schatten modelliert werden.
Gar nicht so einfach ins Bild zu bringen.

Welche Aspekte erkennst Du in diesem Bild, die das Weiß zum Star machen?

Weniger ist Nichts

Wie viel braucht es bei einem Bild, damit nicht Nichts ist?

Dieser spannenden Frage verfolgen wir gemeinsam mit unseren Linsenkünstlerinnen auf unserer Kreativreise bei dem Thema "fotografische Aquarelle".

Motiviert vom kreativen Moment habe ich an der südlichsten Spitze von Rhodos das Thema auch für mich wieder aufgenommen. Prasonisi ist ein "verrückter Planet", auf dem vor allem Surfer leben. Hier weht der Wind so stark und ist das Licht so gleisend, dass es die Landschaft und deinen Körper zu durchdringen scheint.

Um diesen subjektiven Moment darzustellen, habe ich wieder alle Regeln gebrochen, die es vermeintlich in der Fotografie so gibt und im manuellen Modus direkt gegen die schon untergehende Sonne fotografiert und das Material gezielt überbelichtet.

Auf den Einzelbildern war mir dann doch etwas viel "Nichts" und so habe ich einen Moment angewendet, die Brigitta intensiv in unseren Workshops vermittelt - die kompositorische Verdichtung des Themas durch eine Mehrfachbelichtung. Hier in Photoshop mit drei Fotografien und der Methode "Dunklere Farbe".

Manueller Modus, kompositorische Verdichtung, fotografische Aquarelle - nur drei von vielen Themen unserer Workshops.

Schattenfotografie I

Nichts bringt eine Farbe mehr zum Leuchten als ein sattes Schwarz, welches der Farbe flankierend zur Seite steht. In der Fotografie entsteht das Schwarz im Bild meistens durch einen tiefen Schatten, der die Bühne für das eigentliche Motiv bildet.

Schwer für mich verständlich daher die weitverbreitete Angst viele Fotografen vor den „abgesoffenen“ Bereichen – bieten Schatten doch eine wunderbare Möglichkeit der Bildgestaltung: geheimnisvoll lassen sie Bildteile im Ungewissen, verschieben sie Gewichte innerhalb der Komposition, modellieren sie das Motiv auf ihre ganz eigene Art und Weise.

Schatten sind auch nicht immer ganz schwarz, kurz vor der totalen Dunkelheit nehmen sie die Farben ihrer Umgebung in maximal gedämpfter Intensität an.

Nicht ganz einfach sind die Schatten ins Bild zu bringen. Im Manuellen Kameramodus bedarf es einer sauberen Belichtungsmessung und eines vorsichtigen Herantastens an die richtige Menge von wenig Licht.

Welche meiner Bildteile möchte ich in der Schattenwelt versinken lassen?
Wie viel kann und will ich noch in den Schattenbereichen sehen?
Wo brauche ich das ganz tiefe Schwarz?
Was passiert dadurch mit meinem restlichen Bild?

Schattenfotografie II

Nichts bringt ein sattes Schwarz mehr zur Geltung als ein Meer aus Farbe, welches das Schwarz umfließt. In der Fotografie entsteht das Schwarz im Bild manchmal durch einen tiefen Schatten, der durch Gegenlicht die Protagonisten wie einen Schattenriss erscheinen lassen.

Schwarz als Protagonist verleiht den zentralen Motiven einen ordentlichen „Bumms“, lässt sie sehr konkret und diskussionslos erscheinen, mit viel Gewicht, auch wenn ihr eigentliches Wesen im Ungewissen verbleibt.

Denn die einen sind im Dunkeln

und die andern sind im Licht

und man siehet die im Lichte

die im Dunkeln sieht man nicht.

 

Bertolt Brecht, Dreigroschenoper

Solch zentrale Schatten entstehen durch Gegenlicht, das mit Fingerspitzengefühl und der Spotmessung bei der Aufnahme ausgelotet werden muss, eventuell bedarf es einer vorsichtigen Nachbearbeitung in der digitalen Dunkelkammer, um das Verhältnis zwischen Umgebungslicht und Schattenmotiv zu balancieren.

Wie dunkel darf mein Motiv sein?

Wie hell oder auch wie dunkel muss die farbige Bühne für mein Motiv sein?

Wie passt sich die Schwärze in die Farbe ein?

Was komponiere ich mein Bild, damit mein schwarzes Motiv Halt im Bild findet?

Licht und Dunkelheit

Wenn die blaue Stunde vorüber ist, bleibt nichts zurück außer die schwarze Nacht und die Lichter der Menschen. Die stoffliche Präsenz der Formen und Texturen verschwindet ebenso wie die Bedeutung der dargestellten Protagonisten in der Dunkelheit. Die Farben der Lichter werden zum zentralen Motiv einer "umgekehrten Lichtmalerei". Beim Reverse Ligtpainting wird nicht die Lichtquelle während einer verlängerten Aufnahme bewegt, es ist der Körper des Fotografen und damit die Kamera selbst die bewegt wird.

Ich arbeite von Innen nach Außen, genau wie die Natur.

 

Jackson Pollock

Fügt man der Methode des Reverse Lightpainting die Inspiration durch das Action Painting hinzu, eröffnen sich neue und spannende Ausdrucksformen für die Fotografie. Nachdem ein Motiv gefunden wurde geht es darum, seinen inneren Empfindungen in der Bewegung nach Außen Ausdruck zu verleihen. Einen Eindruck über diese Arbeitsweise vermittelt eine Filmaufnahme des Malers  Jackson Pollock →.

Für die Action Photography benötigst Du verschiedene manuelle Einstellung Deiner Kamera.

Die Lichtempfindlichkeit des Sensors wird mit dem Wert "ISO" eingestellt. Wähle die native ISO Deiner Kamera. Bei den meisten Modellen ist dies die ISO 50 oder 100.

Der manuelle Modus Deiner Kamera, in dem Du die Belichtungszeit und die Blende selbst wählen kannst, wird mit dem Buchstaben M bezeichnet.

Je nachdem wie weit die Lichter von Deinem Aufnahmestandpunkt entfernt sind, erfolgt nun die Blendenauswahl. Bei nahen Lichtern kannst die eine Blende zwischen 4 und 5 wählen. Bei weiter entfernten Lichtern empfiehlt sich eine Blende zwischen 8 und 11.

Als Belichtungszeit wählst Du die Einstellung "Bulb" für eine Langzeitbelichtung. Die Kamera belichtet nun so lange, wie du den Auslöser gedrückt hältst.

Sollte Deine Kamera bei dem fokussieren der Lichter Probleme bereiten, ist es notwendig auch hier in den manuellen Modus zu wechseln. Den Schalter hierfür findest Du an Deinem Objektiv oder in dem Setup Deiner Kamera.

Sollte Deine Kamera über einen internen Blitz verfügen, wird dieser abgeschaltet.

Mit der Verwendung eines Gaufilters der Stärke NDx 4 oder NDx 6 verlängerst Du die mögliche Belichtungszeit und deckst gleichzeitig evtl. vorhandene Flächenlichter ab.

 

Tipp

Für die Aufnahmen kann es "rabenschwarze" Nacht sein. Es ist nicht notwendig, wie oft empfohlen, zur blauen Stunde zu fotografieren. Unterbreche die Aufnahme immer wieder dadurch, dass Du Deine Hand vor die Linse Deines Objektives hältst und die Bewegung neu ansetzt.

Konzentriere dich bei der Motivauswahl auf die starken Spitzlichter und vermeide Flächenlichter. Zu jetzigen Jahreszeit bist Du durch die Weihnachtsdekoration von solchen Spitzlichtern umgeben. Auch das Silvesterfeuerwerk lädt Dich ein, mit der Action Photography zu experimentieren.

So entstehen Bilder, die ihren Ursprung im abstrakten Expressionismus haben.

Räumlichkeit

Fotografie ist ein zweidimensionales Medium, welches aber stets eine dreidimensionale Wirklichkeit abbildet.

Der Fotograf hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, mit diesem scheinbar unauflöslichem Widerspruch umzugehen:
Er konzentriert sich darauf, das Dreidimensionale möglichst zweidimensional darzustellen, oder er wählt Standpunkt, Bildaufbau und Aufnahmetechnik so aus, dass die Dreidimensionalität in seinem Bild sichtbar wird.

Bewegungen im Raum und damit auch in der Zeit bringen Verschiebungen der Dimensionen in das Bild. Gefühle aus dem Unterbewusstsein lenken während der Aufnahme die Schritte und die Kamerahand.

Multiple Dimensionen erscheinen im Bild, überlagern sich und formen den Raum und machen ihn so für den Betrachter erfahrbar.

Unterstützt wird das Raumgefühl durch die Art der Aufnahmen, durch die Kombination von Farbe, Licht, Textur und Ausarbeitung des Bilds in der elektronischen Dunkelkammer.

Was siehst Du?
Was fühlst Du?
Kannst Du benennen, was in dem Bild zu Deinem Gefühl führt?

Schärfe

Oje, ein heikles Thema. Kaum ein Beitrag in einem der unzähligen Foren, die sich mit der Fotografie beschäftigen, in der nicht früher oder später der Kommentar auftaucht "schade, dass es nicht schärfer ist" oder auch "der Schärfepunkt liegt nicht genau auf...".

Na und?

Lehnen wir uns doch einen Moment zurück und überlegen gemeinsam, was Schärfe in einem Bild eigentlich darstellt? Schärfe ist, neben der Farbe, dem Kontrast und der Helligkeit, ein Gestaltungselement, das die Aufmerksamkeit des Betrachters leitet. Eines ist Schärfe jedoch sicher nicht: Ein Selbstzweck.

Gerade in der experimentellen Fotografie kenne wir Motive und Bildideen, die völlig ohne Schärfepunkt auskommen und in denen die anderen Gestaltungselemente, Farbe, Kontrast und Helligkeit" umso mehr in den Vordergrund treten.

So entstehen beispielsweise in der gestischen Fotografie dahin gehauchte Farbkompositionen, wie dieser Sonnenuntergang auf Rhodos.

Reduktion

Die Reduzierung eines alltäglichen Motivs in Koskinou auf Rhodos. Der Grad der Abstraktion erhöht sich. Die Grundelemente der Komposition, Punkt, Linie, Fläche, Farbe und Textur, treten in eine Beziehung zueinander und kommunizieren miteinander.

Aus einem Fenster, einer Hauswand und dem Schatten eines Rolladenhalters wird so eine gegenständliche und doch experimentell-abstrakte Fotografie.

Reduktion, Abstraktion und Komposition - eines der zentralen Themen in unseren Workshops.

 

Intuition

Eine Motivklingel, das wäre es doch. Immer wenn sich eine besonders schöne, aufregende und inspirierendes Motiv, wunderbarer Augenblick von Licht und Farbe ereignet, müsste die Klingel ganz laut anspringen.

In der gestischen Fotografie mit verfügbarem Licht geht es ja am Ende nicht um die Gestik, nicht darum, ob ich ein Bild "tanze" oder die Kamera nur ganz zart bewege. Es geht nicht um Kameraeinstellungen von Blende, ISO und Belichtungszeit. All das sind Techniken, die gar nicht so schwer zu erlernen sind und die wir ausführlich in unseren Workshops behandeln.

Es geht um den wunderbaren Augenblick von Licht und Farbe.

Diesen Augenblick zu erkennen, hat viel mit kreativer Intuition zu tun. Diesen Augenblick fotografisch umzusetzen wird durch die Vorabvisualisierung und die Aufnahmetechnik ermöglicht.

Aus dem fahrenden Auto heraus mit zusätzlichen gestischen Bewegungen fotografieren - die kleine Kreativübung, die wir mit unseren Linsenkünstlerinnen auf Rhodos durchgeführt haben, soll vor allem bekannte Denkweisen in Frage stellen und nicht zuletzt einen Heidenspaß machen. Weiter gedacht und vertieft angewendet geht es darum die eigene Intuition zu fördern, sich in schneller Folge, ohne die Möglichkeit der rationalen Planung, auf die unterschiedlichsten Licht- und Farbsituationen einzustellen, die wunderbaren Augenblicke zu erahnen.

Credits

Autoren und Fotografen: Bernd Donabauer, Brigitta Fiesel

Beiträge und Fotografien von oben nach unten:

Bernd Donabauer, These und Antithese

Brigitta Fiesel, Der Star

Bernd Donabauer, Weniger ist Nichts

Brigitta Fiesel, Schattenfotografie I

Brigitta Fiesel, Schattenfotografie II

Bernd Donabauer, Licht und Dunkelheit

Brigitta Fiesel, Räumlichkeit

Bernd Donabauer, Schärfe

Bernd Donabauer, Reduktion

Bernd Donabauer, Intuition

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Kreativ-Fotoreise 2020 - Rhodos

Entdecke das Licht des Südens auf Rhodos

18. September bis 26. September 2020

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