Bernd
Das ist einer dieser wundervollen Inselgeschichten. Ich habe den Galeristen des Art Park, Damon, 2007 kennen gelernt und ihm einige meiner Bilder gezeigt. Damon hat wohl mehr darin gesehen, als ich zu jener Zeit und drauf bestanden, dass ich ein Künstler bin. Anfangs habe ich mich noch gewehrt aber schließlich haben wir vereinbart, dass ich gemeinsam mit Ihm im nächsten Jahr gleich zwei Ausstellungen meiner Arbeiten im Art Park organisiere.
Bernd
[Lacht] Kunst ist ja wunderbar, macht aber auch entsetzlich viel Arbeit. Gleich zu Anfang zwei Ausstellungen im Ausland zu stemmen, zeugt nicht gerade von Bescheidenheit. Ich wusste ehrlich gesagt nicht was hier an Arbeit auf mich zukommt – im Nachhinein war das vielleicht auch gut so – Konzepte erarbeiten, der Druck der Bilder, der Transport, Sponsoren begeistern, das Marketing anschieben…
Bernd
Dabei ist das Thema ungemein spannend und durchdrungen von meinem Ur-Thema des Ungleichzeitigen des Gleichzeitigen. Neben der Symbolik der unendlichen Schönheit der Existenz in allen Erscheinungen der Welt, repräsentiert die Nymphe auch kaum zu ertragendem Schmerz. In der ursprünglichen Mythologie stehen Nymphen eben nicht für zarte, zerbrechliche, esoterische fast schon ein wenig dümmliche Wesen. Dieses heute noch vorherrschende Bild findet seinen Ursprung vor allem in der figurativen europäischen Kunst des 19ten und 18ten Jahrhunderts.
Bernd
In der Gestalt der Nymphen werden die beiden großen Fragen des Menschseins und der Kunst verhandelt: Tod und Liebe, Liebe und Tod. In nahezu jeder mythologischen Überlieferung über Nymphen geht es dabei auch um Gewalt und Herrschaft, einem unentrinnbaren Schicksal, dem sich diese starken Frauen mit all ihrer subversiven Macht entziehen wollen.
Bernd
Nehmen wir die Geschichte von Rhode, der Namensgeberin der Insel Rhodos. Das ist die Geschichte einer unendlichen Liebe zwischen Helios und der Nymphe, die ihren Widerhall im Liebreiz der Insel, in Landschaft und Meer, den Naturerscheinungen im Wechsel der Jahreszeiten findet. Nymphen sind ja auch ein Symbol für die Dualität von Mensch und der den Menschen umgebenden Natur.
Dabei trägt Rhode in ihrer Menschlichkeit ein Schicksal, dass einem der Atem stockt: Die Brüder, durch die Eifersucht der Aphrodite mit Wahnsinn geschlagen, begehen unaussprechliche Verbrechen und werden dafür auf ewig verbannt. Rhode bleibt allein zurück und erlebt jeden Tag erneut den Schmerz von Einsamkeit und Verlassenheit durch den immer wieder kehrenden Abschied von Helios.
Hier zeigt sich die unauflösliche Verwobenheit des Seins, in der Liebe und Schmerz, Nähe und Entfremdung immer zugleich sind. Wenn du für dich einen wunderbaren Moment auf der Insel findest, vielleicht an einen der zahlreichen Quellen, vielleicht beim Sonnenaufgang am Strand, dann spürst du geradezu körperlich diesen Schmerz in der unendlichen Schönheit. Gefühle, die wir in unserer Gesellschaft gerne voneinander trennen würden: Hier Schmerz, dort Schönheit; beide voneinander getrennt sind diese Empfindungen leicht zu manipulieren und zu instrumentalisieren. Vereint ist es eine Erkenntnis, die sich der Ratio verweigert und einen verstummen lässt.
Aber ich komme ins Erzählen…
Bernd
Orpheus und Eurydike, Pan und Syrinx…
das sind alles keine Kindergeschichten. Konzentriert man sich auf die Beziehungen der Akteure und den Prinzipien, denen diese Beziehungen folgen, findet man sich in den Beziehungsgeflechten der Menschen in unserer Zeit wieder.Das „unentrinnbare Schicksal“ ist dabei eine Metapher für die zutiefst verinnerlichen Verhaltensmuster in diesen Beziehungen, die uns, unreflektiert, zwanghaft handeln lassen. Orpheus mangelt es an Vertrauen. Er muss sich der Liebe von Eurydike immer wieder versichern und verliert sie so am Ende. Syrinx versucht der sexualisierten Gewalt von Pan zu entkommen und zurück bleibt ein zerbrochenes ich…
Bernd
Die gestische Fotografie ist meine Art, die „Kamera in meinen Augen“ zu vergessen, wie es einmal David Hockney sinngemäß für die Fotografie gefordert hat.
Heute nenne ich meine Art der Fotografie gerne aleatorische Fotografie. Die Randbedingungen sind gesetzt, der Moment der Aufnahme mit Ihren vielfältigen Momenten der Bewegung meines Körpers und der Subjekte ist dem wunderbaren Zufall des Unbewussten überlassen.
Die Komplexität der Möglichkeiten ist für mich immer noch atemberaubend und noch lange nicht ergründet. Die Bewegung meines Körpers, die Bewegung der Subjekte, die Bewegung des Bühnenbilds, Licht und Farben – all das schafft immer neue Ausdrucksmöglichkeiten. In der als Werkschau konzipierten Ausstellung findet sich daher auch nahezu gegenständliche Bilder neben starken Abstraktionen und alles dazwischen.
Bernd
[Lacht] Ja, das ist vor allem bei Einreichungen im deutschsprachigen Raum ein Problem. Hier hat die neue Sachlichkeit eine große, immer noch sehr stark wirkende Tradition.
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht recht, was ich tue – ist es Fotografie? Ja, das Material entsteht in der Kamera und ausschließlich mit den Mitteln des Mediums. Es sind keine Collagen und es ist kein Mixed Art, schon gar keine Digital Art. Der Ausdruck der Bilder ist aber sehr weit weg von dem, was man gemeinhin als Fotografie versteht. Meine Arbeiten sind im besten Sinne des Wortes ein „Verrat der Bilder".
Bernd
Ja, und? Zu romantisch, zu hübsch, piktoralistisch - auch diese Form der Kritik ist mir bekannt. Meine expressiven Arbeiten in Schwarz und Weiß → sehen sich diesem Vorwurf nie ausgesetzt, obwohl sie sich nicht wirklich von den anderen Arbeiten unterscheiden. Zunächst ist die Arbeit an der Werkausstellung ein Riesenspaß für mich gewesen und ich hoffe, dass die Besucher einen ebensolchen Spaß beim Betrachten der Bilder haben. Aber wenn Du darauf bestehst, habe ich auch noch ein wenig Gedankenfutter zu dem Thema:
Biedermeier→ oder Vormärz→?
Das ist hier die Frage!Beides umschreibt eine historische Epoche und meint doch etwas völlig anderes. Beides ist die Sicht auf die selben Kunstobjekte und doch mit jeweils völlig anderen Interpretationen und Schlussfolgerungen. Nehmen wir das Bild "Der arme Poet→" von Spitzweg. Das ist eines der bekanntesten Bilder überhaupt in Deutschland. Entstanden ist es 1839, gerade mal 5 Jahre nachdem die Flugschrift "Der Hessische Landbote→" von Georg Büchner veröffentlicht wurde. Man kann im Bild "Der arme Poet" eine romantische Geste des Biedermeier an ein Künstlerleben sehen. Man kann darin aber auch eine Gesellschaftskritik des Vormärz an den herrschenden Verhältnissen sehen, in dem der Künstler kein Auskommen hat und seine Kunst nicht so sehr weit vom Ofen lagern sollte, damit er im Falle einer Hausdurchsuchung schnell reagieren kann.
Die Bilder der Ausstellung "Nymphen" kitzeln das Auge. Wer genau hin schaut wird in der Ikonographie der Bilder auch einiges finden, was den Verstand kitzelt.
Bernd
Vor allem Freude am Schauen. Kunst will lustvoll erfahren werden.